Historie

in Chronik bis 1945 (Seiten 177; 493ff)

Er wurde am 23.1.1869 auf Initiative des Holzbildhauers Friedrich Nitzsche (1830– 1909 ) als Bürgerverein ins Leben gerufen. Laut Statut vom 3.2. 1869 verfolgten die 24 Mitglieder nicht nur gewerbliche Interessen, sondern waren dem Volkswohl, besonders der Volksbildung verpflichtet. Ziel war, Licht und Aufklärung in alle Schichten des Volkes tragen.

Der Verein, der seit 1874 korporatives Mitglied der Gesellschaft für Volksbildung Berlin war, organisierte allgemeinbildende und fachspezifische Vorträge, richtete Gewerbeschauen aus, besuchte Betriebe und Einrichtungen und besaß eine umfangreiche Volksbibliothek. 1871 taufte sich der Bürgerverein in Gewerbeverein um. Er zählte 1879 184 Personen.

Vorsitzende des Vereins waren Bürgermeister Dr. Steeger (1869), Apotheker Hentschel (1869–1872), Baumeister Pöschel.(1872–1881), Fabrikant O. Schwotzer (1881–1882, 1895– 1909), Holzbildhauer Nitzsche (1882–1885), Kaufmann A. Viehweger (1885), Schuldirektor Peuckert (1909–1919). Vor und nach der Gleichschaltung im Mai 1933 wird der Verein von C. B. Ott jun. geleitet und bald darauf als selbständiger Verein aufgelöst. Die Gewerbetreibenden wurden vom Ortsgemeinschaftsverwalter Otto Mothes vertreten.

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Der Gewerbeverein - ein Streiter für Bildung und Wirtschaft

So unglaublich es auf den ersten Blick auch erscheint: Der Gewerbe- und Verkehrsverein der Stadt Zwönitz geht im Jahr 2019 ins 150. Jahr seines Bestehens, auch wenn zwischen 1934 und 1992 eine politisch erzwungene Pause zu berücksichtigen ist. Ein guter Grund, sich mit diesem vernachlässigten Kapitel unserer Stadtgeschichte näher zu beschäftigen. Schauen wir zuerst in ein kleines Heft, das der Zwönitzer Schuldirektor Christian Robert Peuckert (1862–1935) im Jahre 1919 verfasste. Darin lesen wir, dass sich am 23.1.1869 auf Einladung des Holzbildhauers Friedrich Wilhelm Nitzsche mehrere Bürger versammelten, um über die Gründung eines Vereins zu beraten, der sich zur Aufgabe stellt, durch Vorträge über Volkswirtschaft, Wissenschaft und Kunst seine Mitglieder zu belehren und zu unterhalten. (1)

Bereits am 3. Februar 1869 nahmen 24 Bürger die vom Zwönitzer Bürgermeister, Dr. Ferdinand Alwin Steeger, erarbeiteten Statuten an und gründeten den Verein unter den Namen „Bürgerverein“. Am 28. März 1871 wurde der Antrag gestellt, den „Bürgerverein“ in „Gewerbeverein“ umzutaufen. Dazu lesen wir: Trotz des Protestes einer großen Anzahl ging der Antrag am 24. Mai durch. Eine weitere Krisis drohte dem Verein im folgenden Jahre. Der Vorsitzende, Apotheker Leberecht Hentschel beantragte, „alle städtischen und politischen Angelegenheiten in Zukunft nicht mehr in das Ressort des Vereins zu ziehen“. Da der Antrag abgelehnt wurde, legte der Antragsteller den Vorsitz nieder, trat aus dem Vereine aus und forderte die Mitglieder, welche für seinen Antrag gestimmt hatten, zur Bildung eines neuen Gewerbevereins auf. Dadurch ließ man sich bestimmen, die Erörterung der städtischen und politischen Verhältnisse auszuschalten. (2)

Mitgliedskarte mit dem Logo des Bienenfleißes

Mitgliedskarte mit dem Logo des Bienenfleißes

Dem Verein, der jetzt den Zusatz „und Umgegend“ trägt, schadete diese neue Politik nicht. Das gegenseitige Respektieren der Unabhängigkeit war die Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander. Bereits am 4. April 1877 regte der Verein die Errichtung eines Kindergartens an und begleitete diese Einrichtung auch mit Rat und Tat nach ihrer Gründung am 12.5.1884. Als Zwönitz 1878 eine städtische Bibliothek ins Leben rief, war eine solche beim Gewerbeverein bereits vorhanden, denn kurz darauf übergab ihr der Gewerbeverein seine Bestände. Da man die Leihgebühren für Vereinsmitglieder nicht akzeptieren wollte, forderte man im Januar 1888 die Bestände zurück und gründete einen Monat später eine eigene Bibliothek. Überhaupt war der Verein, der seit 1874 dem Verein für Volksbildung Berlin angehörte, stark daran interessiert, durch Vorträge und Exkursionen das Bildungsniveau breiter Volksschichten zu erhöhen. Bis 1933 gehörte es zum guten Ton, dass sich Pastoren, Kantoren, Lehrer, Fabrikanten, Beamte und Handwerker im Verein betätigten.

Zu einem gesellschaftlichen Höhepunkt im Leben der Stadt gestaltete sich die vom Verein ausgerichtete 1. Gewerbe- und Industrieausstellung vom 13. Juli bis 3. August 1879. Zu dieser Zeit zählte der Verein 184 Mitglieder. Die 2. Gewerbe- und Industrieausstellung fand vom 10. bis 24. Juli 1892 anlässlich des mittelerzgebirgischen Gautages in Zwönitz statt. Neben der Pappenfabrik Koch, der Schuhfabrik Haustein, der Brauerei Flade und den beiden Gerbereien Richter und Heinze stellten u.a. je vier Fleischer und Tischler, je drei Schuster und Branntweinbrenner und je zwei Bäcker und Sattler ihre Erzeugnisse aus. Besonders stark vertreten waren die Woll- und Strumpfwaren, so die Firmen Schnädelbach, R. Fichtner, Vogel, Zimmermann und Börner, sowie die Niederzwönitzer Günther und Honsch und die Kühnhaider Fa. Schlegel. (3) Vom 13. bis 28. Juli 1902 gestaltete der Gewerbeverein seine 3. Ausstellung. Über 5000 Besucher konnten die nach 37 Branchen gegliederten Exponate bestaunen. Von der Schuhfabrik Albin Trommler über die Metallwarenfabriken C. A. Schwotzer und A. Kazda bis hin zur Seidenklöppelei und Fotografie reichte die bunte Palette der Erzeugnisse. Auf der am 13. Juli durchgeführten Gautagung hielt der Zwönitzer Pfarrer Friedrich Hermann Löscher auch einen vielbeachteten Vortrag über die gewerbliche Entwicklung des Erzgebirges.

Postkarte von der Industrie- und Gewerbeausstellung 1902

Postkarte von der Industrie- und Gewerbeausstellung 1902

Das 25jährige Jubiläum feierte der Verein am 4.2.1894 mit einem Festessen und Ball. Auch ernannte er seinen Gründer, Friedrich Wilhelm Nitzsche, zum Ehrenmitglied. Um günstige Verkehrsverhältnisse zu schaffen, machte der Verein mit sichtbarem Erfolg des öfteren Eingaben an die Behörden. Das betraf z.B. neben Angelegenheiten der Bahn auch die Einrichtung von Buslinien.

Einen tiefen Einschnitt brachte 1914 der Ausbruch des 1. Weltkrieges, obwohl der Verein 1915 148 Mitglieder zählte. So beschaffte man sich noch 1918 einen Lichtbilderapparat.

Dass man sich nicht unterkriegen ließ, zeigt das 50. Vereinsjubiläum, das man am 3.2.1919 würdig feierte. (4)

Sehr aktiv wurden die Mitglieder des Gewerbevereins bei dem am 2.9.1920 ins Leben gerufenen Projekt Volkshochschule Zwönitz, an dem sich 18 Zwönitzer Vereine mit 3899 Mitgliedern beteiligten. (5) Fast alle Vorträge wurden von Vereinsmitgliedern gehalten. Leider nahmen nur wenige Zwönitzer dieses Bildungsangebot an, so dass man die Volkshochschule schon am 30.03.1921 wieder auflöste und der Verein sein auf Fortbildung gerichtetes Wirken wieder auf eigene Füße stellte. An diesem eigenen Engagement wird auch zukünftig festgehalten, denn das Ersuchen des mehrheitlich sozialdemokratisch geführten Stadtrates nach Eingliederung der Bücherei des Vereins wurde am 20.3.1925 abgelehnt. (6)

Erst am 30. März 1933 gelang es der NSDAP und dem von ihr dominierten Stadtrat das Projekt umzusetzen. So lesen wir in einem Protokoll des Rates: Die Bücherei des Gewerbevereins wird im Einverständnis mit Herrn C. B. Ott der städtischen Bücherei einverleibt. (7) Dass die Bestände zuerst von jüdischem und marxistischem Schriftgut gesäubert wurden, versteht sich von selbst. Vom Bestehen an war der Gewerbeverein stark auf Industrie und Handwerk konzentriert. So fanden sich nur wenige Händler unter den Vereinsmitgliedern. Die Mehrzahl von ihnen fand sich in der am 21.1.1919 erstmals öffentlich auftretenden Vereinigung der Ladeninhaber wieder. (8) Bis 1924 schien diese selbständig gewesen zu sein. Einige Zeit später formierten sich diese Mitglieder als Ortsgruppe der Wirtschaftlichen Vereinigung für Handel und Gewerbe, Sitz Aue. Vereinslokal war die Gastwirtschaft „Zum Schiff“ von Paul Josiger. Am 7.12.1934 löste man sich nach 15jähriger Tätigkeit, sicher auf Druck der Behörden, auf, was ihr Ortsgruppenleiter Bruno Breitfeld bedauerte. (9) Bestehen blieb die NS-Handels- und Gewerbeorganisation, deren Ortsgruppenleiter ebenfalls Walter Breitfeld war. Auch die Gastwirte waren eigene Wege gegangen. Sie gründeten auf Initiative des Schützenhauswirtes Carl Löwe am 10. Mai 1892 den Gastwirtsverein. (10) Vor und nach der Gleichschaltung im Jahre 1933 wurde er von Hermann Schmidt („Roß“) geleitet. (11) 1934 wurde auch dieser Verein aufgelöst und die Mitglieder in den Reichsverband des deutschen Gaststättengewerbes eingegliedert.

Zum Ortsgruppenleiter berief man den Wirt der „Teichschänke“ in Kühnhaide, Fritz Todt. (12)

Das vorerst letzte Kapitel des Gewerbevereins Zwönitz und Umgebung wurde am 20.5.1933 eingeleitet. Nachdem bereits laut Verordnung des sächsischen Ministeriums des Inneren am 28.4.1933 alle Arbeitervereine aufgelöst waren, wurden auf der Basis einer weiteren Verordnung vom 9. Mai alle Vereine an diesem Tag zur Gleichschaltung ins „Schützenhaus“ bestellt. Vertreten wurde der Gewerbeverein, der am 19.5.1933 60 Mitglieder zählte, von Carl Bernhard Ott. Ohne Zweifel war der Verein immer konservativ eingestellt, erst kaiser- und königstreu, dann unter der bürgerlichen Fahne schwarz-weiß-rot.

Am 1. September 1933 veranstaltet man die letzte Zwönitzer Gewerbeausstellung, wenige Monate später löst sich der Verein auf staatliche Veranlassung auf. Nach einer vom Rathaus verfassten Aufstellung aller in Zwönitz auf wirtschaftlichem Gebiet tätigen Vereine und Verbände vom 9.3.1934 steht fest, dass zu diesem Zeitpunkt der Gewerbeverein nicht mehr existierte. (13) Für seine Tätigkeitsfelder waren nunmehr nationalsozialistische Verbände zuständig. Ein eigenständiges Zwönitzer Kind aber sollte noch geboren werden. Im Frühjahr 1937 - inzwischen war Zwönitz per Dekret des Reichstatthalters zur Fremdenverkehrsgemeinde bestimmt worden - gründet sich ein Verkehrsverein. Dieser nimmt sich der bisher vom Erzgebirgsverein allein gewidmeten Anliegen des Fremdenverkehrs an. (14) Auch er fiel neben der NSDAP und ihren Organisationen unter das 1945 von der Sowjetischen Militäradministration ausgesprochene Verbot aller Vereine.

Die Vorsitzenden des Gewerbevereins:

  • Bürgermeister Dr. F. A. Steeger (Februar 1869–September 1869)
  • Apotheker Leberecht Hentschel (Oktober 1869–Januar 1872)
  • Baumeister Fr. August Pöschel (Januar 1872–April 1881)
  • Fabrikant Ottomar Schwotzer (Mai 1881–Januar 1882)
  • Holzbildhauer Fr. Nitzsche (Januar 1882–Januar 1885)
  • Kaufmann Alexander Viehweger (Januar 1885–September 1885)
  • Oberlehrer August Sieber (September 1885–Januar 1895)
  • Fabrikant Ottomar Schwotzer (Januar 1895–Mai 1909)
  • Schuldirektor Robert Peuckert (Mai 1909–11.02.1921)
  • Buchdruckereibesitzer C. B. Ott (12.02.1921–1934)
  • Leberecht Hentschel (1843–1916)
  • C. B. Ott (1882–1967)
Leberecht Hentschel

Leberecht Hentschel (1843–1916) und C. B. Ott (1882–1967)

Neben den verdienstvollen Männern, die den Verein leiteten, ist unbedingt die Rolle des in Zwönitz seit 1887 tätigen Diakons und von 1890 bis 1930 wirkenden Pfarrers Friedrich Hermann Löscher zu erwähnen, der den größten Teil der Vereinsvorträge bestritt und den Gewerbeverein auch prägte.

Quellen:

  • Peuckert, R. Vereinsbericht zum 50jährigen Bestehen, 1919
  • ebenda (9) ZA 1834/188
  • ZA 1992/103 (10) KA Nr. 1068
  • ZA 1919/16 (11) ebenda
  • ZA 1920/138 (12) KA Nr. 1090
  • KA Nr. 2204 (13) ebenda
  • ebenda (14) ZA 1937/41,55
  • ZA 1919/11
Fahnenweihe anlässlich des 140. Jubiläums im Jahre 2009

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